Stadtentwicklung als Struktur- und
Wirtschaftspolitik: Worauf wird sich das BMVBS konzentrieren bzw.
Schwerpunkte setzen?
LD: Gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Wandel vollzieht sich vor
allem in Städten. 75 Prozent unserer Bürger leben in Städten, die sich
im Wettbewerb befinden. Die großen Städte sogar im Internationalen. Sie
sind einem wirtschaftlichen und demographischen Wandel unterworfen, noch
präziser kann man von einem Transformationsprozess sprechen. Dieser
Wandel hat zu innerstädtischen Differenzierungsprozessen geführt. Daher
haben wir es nicht nur mit wachsenden oder schrumpfenden Städten zu tun.
In fast allen Städten haben wir Bereiche, die sich positiv entwickeln,
die wachstumsstark sind und wo Neues entsteht. In anderen Bereichen
brechen Nutzungen weg, Brachen entstehen, Arbeitsplätze fallen weg,
soziale Probleme konzentrieren sich.
Wir wollen mit dem, was wir auf der Seite der Städtebauförderung und
Stadtentwicklungspolitik tun können, den Städten bei diesen
Transformationsaufgaben helfen. Es war eine sehr gute Entscheidung, dass
die Föderalismuskommission gesagt hat, dass die Städtebauförderung
weiterhin Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden ist.
Ziel ist es, mit integrierten Programmansätzen die vielfältige
Problemstruktur in den Stadtteilen von der lokalen Ökonomie, über die
Bildungsthematik bis zur Umweltsituation anzugehen. Wichtig in dem
Zusammenhang sind auch die Stadtumbauprogramme, wie der Stadtumbau Ost
mit den Aufwertungs- und Rückbauprogrammen, bei denen bereits große
Erfolge erzielt worden sind.
Es gibt allerdings auch in Westdeutschland Regionen, die mit
Leerstand zu kämpfen haben bzw. deren Bestand nicht mehr wirtschaftlich
sanierbar ist.
LD: Das ist richtig, deshalb gibt es nun auch das Programm Stadtumbau
West. Allerdings muss man sehen, dass die Leerstandsprobleme nicht die
Dimension wie in Ostdeutschland haben. Neben dem notwendigen Rückbau
dauerhaft leer stehender Wohnungen, sollten wir uns noch stärker auf die
Aufwertung konzentrieren, zukunftsfähige Strukturen schaffen und die
Standorte attraktiv halten. Denn dann bieten wir Stadtquartiere an, die
auch neue Investitionen anziehen können.
Hierbei geht z. B. um Immobilien- und Standortgemeinschaften, die sog.
Business Improvement Districts (BID). In Deutschland gibt es
mittlerweile drei Bundesländer, die BID’s auf die Schiene gebracht
haben. Ich glaube, die Wirtschaft, vor allem auch die
Immobilienwirtschaft, wird ein Stück weit mehr Verantwortung im
wohlverstandenen Eigeninteresse für den Stadtteil übernehmen müssen. Und
auf der anderen Seite müssen sich die öffentliche Hand, die kommunale
Verwaltung und die Planungspraxis darauf einstellen, stärker diese
wirtschaftlichen Initiativen ernst zu nehmen und ihre Konzepte auch
einzubauen.
Viele große kommunale Wohnungsunternehmen sind verkauft worden. Sind
weitere Großverkäufe geplant?
LD: Beim Bund steht akut nichts an. In der kommunalen Landschaft wird
das sehr breit diskutiert. Wir haben im Koalitionsvertrag festgehalten,
dass die Internationalisierung der Wohnungsgesellschaft sehr genau
untersucht wird. Dazu haben wir ein Forschungsvorhaben auf den Weg
gebracht, das diese Fragen im Hinblick auf den Wohnungsmarkt, die
Bewohner und die kommunalen Handlungsmöglichkeiten systematisch
aufbereiten soll.
Wenn Sie politisch fragen, ist aus Sicht unseres Hauses jede Stadt und
jede Gemeinde sehr gut beraten, sich einen Verkauf genau zu überlegen.
Städte müssen sich darüber Gedanken machen, ob sie die Möglichkeiten
kommunaler Wohnungsunternehmen für Projekte der Stadtpolitik nutzen
wollen. Die Wohnungswirtschaft hat ja mittlerweile erkannt, dass sie
sich auch um ihre Städte kümmern muss.
Viele ausländische Investoren sind nach wie vor an dem
Immobilienmarkt Deutschland interessiert. Wie steht das
Bundesbauministerium zu der Einführung von REITs und wann ist mit einer
Entscheidung zu rechnen?
LD: Wir haben im Koalitionsvertrag die Festlegung, dass die positiven
Wirkungen auf den Immobilienmarkt und die Standortbedingungen eine
Voraussetzung für die Einführung von REITs sind. Zum anderen gibt es die
Voraussetzung, dass eine verlässliche Besteuerung beim Anleger
sichergestellt ist. Zur Steuerfrage hat das Bundesministerium der
Finanzen (BMF) mittlerweile einen Lösungsvorschlag auf den Tisch gelegt,
der nach Meinung der Fi-nanzexperten eine akzeptable Besteuerungslösung
beinhaltet. Es ist seitens des BMF angestrebt, Anfang 2007 ein
REITs-Gesetz in Kraft zu setzen.
Die Fragen der Auswirkungen auf den Wohnungsmarkt sind in der Tat
umstritten. Unser Haus steht der Einführung von REITs für Wohnimmobilien
kritisch gegenüber, weil wir sehen, dass ein möglicher Widerspruch
zwischen kurzfristigen Anlegerinteressen und den langfristigen Zielen
der Stadtentwicklung und der sozialen Wohnungspolitik entstehen kann.
Wir würden es bevorzugen, wenn bei REITs zunächst ein Weg gegangen
würde, der sich auf die Einführung im gewerblichen Bereich beschränkt.
Sollte man REITs im Wohnungsbereich mittelfristig andenken, muss man die
Rahmenbedingungen so ausgestaltet, dass die
Instandhaltungsnotwendigkeiten wirklich erfüllt werden. Zur Zeit wird
intensiv diskutiert.
Eine Debatte, die noch immer nicht vom Tisch ist, ist Deutschlands
Energieausweis. Können Sie uns etwas zum aktuellen Stand der Dinge
sagen?
LD: Ich bin ganz dankbar für die Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt,
ein paar Dinge klar zu stellen, da in der öffentlichen Diskussion
teilweise schlicht falsche Informationen im Umlauf sind. Zunächst muss
man wissen, dass wir es mit zwei Ausweisarten zu tun haben: dem
Verbrauchs- und dem Bedarfsausweis. Wir haben in den letzten Monaten
sehr genau untersucht, welchen Aufwand die Ausstellung der Ausweise
bedeutet. Das Ergebnis ist, dass bei kleineren Immobilien wir davon
ausgehen können, dass ein Bedarfsausweis für 80 bis 120 Euro zu haben
ist. Das ist ein Preis, der sich deutlich von den 300 Euro
unterscheidet, die vor einem Jahr diskutiert wurden. Das liegt daran,
dass wir ein vereinfachtes Verfahren entwickelt haben.
Entgegen gelegentlich geäußerter Vermutungen müssen auch beim
Verbrauchsausweis Modernisierungsempfehlungen ausgestellt werden, da
dies europarechtlich vorgegeben ist. D. h., auch der Verbrauchsausweis
wird sich mit dem Gebäude beschäftigen müssen und nicht nur mit der
Heizkostenabrechnung. Deshalb wird der Verbrauchsausweis auch nicht so
günstig sein wie vielfach vermutet. Wir rechnen mit einem Aufwand von 40
bis 60 Euro.
Der Verbrauchsausweis kann bei kleineren Häusern möglicherweise keine
sehr solide Informationsbasis bieten, denn der Verbrauch ist ja davon
abhängig wer die Immobilie bewohnt. Wichtig ist doch die Aussage zur
Energieeffizienz einer Immobilie. Der Mieter oder Käufer will doch
wissen: liege ich im mittleren Bereich bei 200 kW, liege ich im guten
Bereich bei 70 kW oder liege ich im ganz schlechten Bereich bei 400 kW.
Nun sagt die Wirtschaft, jeder Euro
Kostenbelastung ist ein Problem. Das ist richtig. Nur die Wirtschaft
sagt auch, dass alles, was wir im Wohnungsbereich an Energie nicht
einsparen, die Industrie einsparen muss, damit wir die Kyoto-Ziele
einhalten. Und darüber hinaus fordern die Handwerkerverbände den
Bedarfsausweis, weil er hilft, die Eigentümer zu überzeugen,
Investitionen in eine energetische Optimierung zu tätigen. Wenn man das
mal alles zusammen nimmt, liegt der Kompromiss schon auf der Hand. Und
dafür werben wir, und ich hoffe, dass wir dann auch in wenigen Wochen in
der Bundesregierung ein Einvernehmen dazu erzielen können.
Ist schon geklärt, wer den Energieausweis ausstellen darf?
LD: Es wird eine große Personengruppe sein. Im Wesentlichen die
Bauvorlageberechtigten und einige darüber hinaus, z. B. bestimmte
Bauhandwerker. Im Referentenentwurf wird es dazu eine entsprechende
Regelung geben.
Bundesminister Tiefensee hatte bereits im Editorial in der
September-Ausgabe Informationen zum geänderten Baugesetzbuch
veröffentlicht. Welche Bemühungen stehen dahinter?
LD: Wir haben mit der gezielten Änderung des Baugesetzbuches einen ganz
wichtigen Schritt getan, um einen starken Akzent zur Unterstützung der
Innenstädte zu setzen. Zum ersten Mal ist das Planen und Bauen im
Innenbereich einfacher als auf der grünen Wiese. Es ermöglicht die
Halbierung der Planungsdauer im vereinfachten Bebauungsplanverfahren,
weil wir auf eine Reihe von Regelungen verzichten. Wir machen nur noch
eine einfache Bürger- und Behördenbeteiligung und nicht mehr eine
doppelte. Die umfangreiche Umweltprü-fung förmlicher Art fällt weg. Wir
nutzen die Spielräume, die die EU-Verordnungen uns geben für kleine
Projekte keine förmliche Umweltprüfung durchzuführen. Wir wollen einen
echten planungsrechtlichen Bonus für das Bauen in der Stadt geben, um
deutlich zu machen, dass uns Flächenrecycling, Brachenreaktivierung ein
zentrales Anliegen ist um einen Beitrag zu leisten, die Zersiedelung zu
verhindern. Wir nehmen das 30 ha-Ziel sehr ernst.
Ein weiterer Punkt ist es den Kommunen die Möglichkeit zu geben, mit
Bebauungsplänen ihre Einzelhandelsentwicklung besser zu steuern. Es soll
in Zukunft möglich sein, für ein gesamtes Stadtgebiet per Satzung
Regelungen zu treffen. Das sind Kernpunkte dieser Novelle des
Baugesetzbuches, die nur wenige Vorschriften ändert.
(Das Gespräch führte die Redaktion des
BundesBauBlatts. Dieses Interview ist erschienen in der Oktober-Ausgabe
2006 des BundesBauBlatts (www.bundesbaublatt.de).
Wir danken der Redaktion für die Abdruck-Genehmigung.)
Bilder:
Bild 1: Staatssekretär Dr. Engelbert Lütke
Daldrup, Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung,
Berlin. Foto: Quelle
www.bundesbaublatt.de
|Grosses
Bild
Bild 2: Das Interview mit Staatssekretär
Dr. Engelbert Lütke Daldrup (BMVBS) ist erschienen
in der Oktober-Ausgabe 2006
des BundesBauBlatts - Fachmagazin für Immobilien-
und Wohnungswirtschaft.
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